Südafrika 2004 – Splitter und Fragmente

Surfer in der Brandung - der erste Blick auf den Indischen Ozean vom 14. Stock des Hotels an der South Beach von Durban (Holiday Inn Garden Court) zeigt ein farbenfrohes Strandleben. Die Totale unterscheidet noch nicht zwischen den abgeteilten Sektionen der weißen und schwarzen Surfer. Erst der Spaziergang entlang der Marine Parade entdeckt die nun „freiwillige“ Apartheid am Strand.

 

Hier auf dem Victoria Market von Durban ist wirklich eThekwini (wie der afrikanische Name der Stadt lautet, der auf manchen Straßenschildern noch zu lesen ist). Ich sehe Affenschädel, zermahlene, zersplitterte, geschredderte Holzteile und alle Sorten Kräuter. Vor ihren geflochtenen Körben sitzen die fröhlichen, dicken, schwarzen Ladies und lächeln uns einladend an, preisen uns ihre Ware an und machen sich sichtlich ein bisschen lustig über die fremden Weißen. Wir, ein kanadischer Kollege und ich, haben den Kleinbus, der uns täglich vom Hotel zur Uni fährt, trotz der ängstlichen Warnungen der Mitreisenden verlassen und uns unter die Menge gemischt. Zu verlockend ist das Gewimmel. Wir sind die einzigen beiden Weißen unter tausenden indischer und afrikanischer Marktbesucher und Händler. Kein Unsicherheitsgefühl, es sind einfach zu viele Menschen als das was passiert. Der Busfahrer hat versprochen, uns am vereinbarten Treffpunkt in einer Stunde wieder abzuholen. Wir haben etwas Mühe, den Ort wieder zu finden.

 

Ein Weißer sollte in der Innenstadt von Durban besser nicht flanieren. Die nigerianischen Migranten, die dort mit drugs and sex handeln, sind übrigens das gemeinsame Feindbild für weiße und schwarze Südafrikaner. An der Rezeption des Hotels: „Not safe at all, Sir. Wir begleiten Sie besser zum Bankschalter.“ Das ist nur zwei Blocks von der Marine Parade entfernt, Großstadtdschungel. Die sichere Zone beschränkt sich auf die Marine Parade, ein paar Kilometer Strandattraktionen, phantasievoll angelegte Pools mit schönen Bäumen, Souvenirstände, Cafes vor der langen Reihe der weißen Hotelklötze.

 

Bei der Fahrt im Minibus im Regen rund um Durban wird die ganze Hierarchie des Elends sichtbar: von den Shacks der schwarzen Squatter, die sich von den südamerikanischen Favelas in nichts unterscheiden, über die lagerähnlichen Ansiedlungen der schwarzen Unter- und Mittelklasse mit den kleinen 4-Räumehäusern, bis zu den elenden Hochhaussiedlungen in der Stadt. Dazu die jeweils passenden Läden und Shoppingmails. Gleich daneben die luxuriösen Strandhotels und Vergnügungsparks von Umlangha (sprich: Umschlanga)

 

Austern in Balsamico-Essig, gegrillte Prawns, gefüllter Tintenfisch, dazu der gute weisse Boschendal-Wein. Am Victoria-Embankment, einem der Yachthäfen von Durban, wartet eine „African Queen" auf zahlungskräftige Touristen. Keine schwarzen Gäste.

 

Die Rickschaw-men unten an der Marine Parade, South Beach, malerisch verkleidet, die langen Beine schwingend wie im Tanz, wenn sie sich an der Strandpromenade auf und ab bewegen. Die meisten verdienen zwischen 10 und 99 Rand pro Tag (etwa 1,5 bis 12 Euro). Das hat die „Case Study of the Two Legged Meter Taxis in the Durban Beachfront" von Dr. Elias Cebekhulu von der Kwazulu Natal Universität ergeben, vorgetragen auf unserem „International Congress of the Work and Labour Network“, zu dem wir hier aus der ganzen Welt zusammen gekommen sind.. Die rickshaws sind zumeist von früheren weißen Besitzern gekauft. Die Familien auf den Dörfern weit weg unterstützen diese Arbeit nicht. Sie gilt nicht als würdige Arbeit, erfahren wir.

 

Auf dem Campus der gerade aus zwei bisherigen Institutionen vereinigten University of KwaZulu-Natal treffe ich nur zwei weiße Studentinnen. Ich spreche sie an. Sie seien nur zu Besuch hier, erklären sie mir. Die Schwarzen und die Indischstämmigen (hier: Asians" genannt) halten sich getrennt voneinander. Gespräche ergeben: es ist Hoffnung da (unter den schwarzen Studenten), dass sich in den nächsten Jahren ein anderes Mischungsverhältnis ergibt. Ich habe Zweifel, ich würde das gern mal nachprüfen, fünf Jahre später

Die Zulusprache liebt den Vokal "u" über alles: Umlanga, Umtata, Umbumbuwe. Eine Sprache aus dem Bauch.

 

In den Morgenzeitungen überwiegt die Kriminalitätsberichterstattung. Die Verbrechen, über die berichtet wird, sind so scheußlich wie anderswo auch, sind sie hier zahlreicher? Die gerade veröffentlichte Statistik konstatiert ein leichtes Absinken der Schwerverbrechen. Die befragten Bürger sehen übereinstimmend als wirksame Gegenmaßnahme in erster Linie eine Steigerung des Wohlstandes und nicht die offiziell diskutierte Erhöhung des Strafmaßes.

 

An den Autobahnen und Landstraßen immer wieder die langen Prozessionen schwarzer Männer und Frauen mit ihren Lasten, manche schlafen unter den Autobahnbrücken und wickeln sich morgens früh aus ihren Decken, um wohin zu gehen?

In den Gärten der weißen Familien auf den Hügeln von Westville/ Durban leuchten die blauen und pupurfarbenen Bougainvilleabüsche hinter hohen Mauern und anderen Sicherheitszäunen. Überhaupt ist hier jede Siedlung, jedes Haus, ob arm oder reich, von Ziegel- oder Betonmauern umgeben.

 

Draußen vor den Toren der Stadt, deren Einwohnerzahl niemand genau kennt, beginnt die Savannenlandschaft, sanfte, grüne, Hügel mit niedrigen Schirmakazien und seltsam geformten, hoch aufragenden Bäumen, manchmal leuchtet dazwischen die berühmte rote Erde Afrikas hervor.

 

Keine Bauernhöfe zu sehen, nur Agrobusiness, endlose Hühnerfarmen verstreut im Vorfeld der Drakensberge.

Im „Tala Game Reserve“, einem Naturpark, eine Autostunde von Durban entfernt, sind alle Grosstadtprobleme vergessen. Die Ranger fahren uns im Jeep bis unmittelbar vor die Füße der Giraffen, die ungerührt aus ihrer unerreichbaren Blickhöhe auf uns herunterschauen. Sie würden sich nur davon machen, wenn wir den Wagen verlassen. Das an der Mutterbrust saugende Nashorn erhebt sich etwas unsicher auf seine Beine und schaut uns verwundert an. Der rote Bischofsvogel lässt sich ebenso wenig stören wie die Büffel, die Impalas, die Kudus mit den großen Ohren oder die anderen Antilopen oder Strauße, wenn wir uns nähern. Nur die Nilpferde im Teich und die braune Wasserschlange verweigern ein nähere Bekanntschaft.

 

Übrigens: Medaillons vom Strauss mit Süßkartoffeln an Heidelbeersauce schmeckt nicht schlecht. Der Fleischgeschmack liegt irgendwo zwischen Geflügel und Rindfleisch.

Die Form des Tafelberges, in diesem Falle: Lava über Sandstein, durch den Wind abgeschliffen, ist keine einmalige Spezialität von Kapstadt, wie ich auf der Fahrt entlang der Ausläufer der Drakensberge lerne. Sie ist hier endemisch.

 

Die Strassen sind endlos lang, straight ahead wie in mittleren Westen der USA, das Unwetter ist vom Oberdeck des komfortablen Reisebusses kilometerlang voraus sichtbar. Nachdem wir Frankfort und Heidelberg passiert haben, erreichen wir nach fast neun Stunden Fahrt, pünktlich auf die Minute die Bus Station im Herzen von Johannesburg. Das Wetter hat dreimal gewechselt.

Schon 30 km vor Johannesburg begannen die townships, verstreut auf der Ebene: "Wir Schwarzen sind wie ein Schwarm von Vögeln", sagte in der Apartheidzeit ein schwarzer Politiker, "die Weißen kommen mit Gewehren und schießen, um uns zu vertreiben. Wir fliegen auf und lassen uns an anderer Stelle wieder nieder mit unseren Hütten. Man wird uns nie restlos vertreiben können"

 

In den Zeitungen gibt es Diskussionen über den Verlust der Muttersprache: Xhosa, Zulu, Bantu, aber auch die indischen Dialekte aus dem Gujarat drohen allmählich zu verschwinden, weil die Kinder vor allem englisch sprechen. "Ich bin englisch", sagt das kleine indische Mädchen zu ihrer Mutter:" Wozu nützt mir die Muttersprache?" Die Trauer der Elterngeneration, aufgewachsen im Apartheidsystem, bemüht um die Bewahrung der geistigen und religiösen Heimat als Schutz gegen den Entzug der Menschenwürde, ist nur zu verständlich - aber vermutlich vergeblich.

 

Armed response“ - die deutlich sichtbaren Schilder des Sicherheitsdienstes an den Mauern der Häuser von Melville, Jo'burg, dem schicken Künstler und Kneipenviertel oberhalb der City verweisen unnachsichtig auf die Realität des Landes. Zur Sicherheit sind sie gleich fünfmal angebracht. Right to admit reserved - die subtile Form des Rassismus an den Türen der Cafés, Bars und Bistros mit den phantasievollen Namen: Questionsmark, Sam's Cafe, Café de la Creme, Café Mezzaluna, Chaplin's, aber auch schlicht: Wurstbude.

 

Im Antiquariat steht neben Spenglers Untergang des Abendlandes die Geschichte des ANC (auf deutsch) verfasst von der Besitzerin meines Hotels, der Journalistin Heidi Holland. .Auf den Fotos ist sie Arm in Arm mit Nelson Mandela zu sehen. Ihr sehr familiäres Bed and Breakfast ist ein Treffpunkt für Intellektuelle aus aller Welt, das lerne ich an Nachmittagen im Wohnzimmer bei Wein und peanuts im Gespräch mit norwegischen Housingspezialisten, baskischen Mitglieder von Human Rights Kommissionen und serbischen Delegierten von Gendergruppen. Das ist hier die Regel, nicht die Ausnahme.

 

Die schwarze Regierung bevorzugt die Anpflanzung indigener Bäume und Blumen. "In meinen Garten kommen nur Immigranten-Pflanzen" – das ist die Reaktion des weißen Zynikers, Lehrstuhlinhaber für Politikwissenschaft in bestem Oxfordenglisch beim Lunch zu Viert im eleganten Clubhouse der University of the Witwatersrand, die von studentischer Seite sehr viel gemischter ist als die KwaZulu Natal University of Durban.

 

Affirmative action zugunsten der Schwarzen oder black empowerment in den Unternehmen - das erscheint als eine Bedrohung für die jungen, qualifizierten, weißen Absolventen der Universitäten. Aus der Zeitung erfahre ich: 33% des oberen Managements im Finanzsektor soll bis 2007 schwarz sein, bis jetzt sind es 10%, Wachstumsrate 1 % pro Jahr. Viele wollen weg ins Ausland, erzählt mir Russel, ein weißer Student, der International Relations an der Wits studiert, und der mich freundlicherweise in seinem Wagen vom weit entfernten Botanischen Garten zurück ins Hotel mitnimmt. Einen deutschen Professor könne er ruhig mitnehmen, da sei kein Überfall zu befürchten, sagt er ganz ernsthaft.

 

Der Umgang mit der alltäglichen Gewalt wird von Weißen wie von Schwarzen mit dem gleichen Muster verdrängt. Russels Eltern wurden beide schon gehijackt, wie das hier heißt, kamen aber mit dem Leben davon. Ebenso erging es dem schwarzen Taxifahrer, der mich zum entfernten Botanischen Garten fuhr, den ich unbedingt sehen wollte. Von Beiden ist wortidentisch der stereotype Spruch zu hören: „Es ist eigentlich nicht besonders gefährlich hier. Man darf nur nicht zur falschen Zeit am falschen Ort sein.“ Damit werden die Bedingungen, unter denen Gewalt hier notorisch produziert wird, ausgeblendet. Gewalt erleiden ist eben Schicksal. Aber vielleicht kann man hier nur so ohne Angst und Depressionen weiterleben.

 

Im Botanical Garden of Witwatersrand sind vormittags auf dem riesigen Gelände kaum mehr als zehn Menschen unterwegs. „Unser Volk", sagt der schwarze Taxifahrer, „weiß viel zu wenig um die Werte und Schönheiten des Landes, sie kennen nicht mal ihre eigenen nähere Umgebung." Im Museum Africa in der Innenstadt Johannesburgs, in der man als Weißer besser nicht alleine und mit Taschen beladen spazieren geht, ist es das gleiche: wenig schwarze Besucher.

 

Umgekehrt allerdings im neuen Apartheid-Museum und vor allem im Hector Pieterson Museum in Soweto: viele Schulklassen studieren da aufmerksam den Aufstand der Schüler vom Juni 1976, den die Polizei zusammen geschossen und -geschlagen hat. In ihren Schuluniformen sind die lebhaften Zweit- oder Drittklässler lustig anzusehen, wie ein Schwarm von zwitschernden Vögeln. Verstohlen, hinter dem Rücken des schwarzen Lehrers, der ihnen die Objekte erklärt, winken Sie mir zu und freuen sich diebisch, wenn ich zurückwinke. Was lernen sie hier, konfrontiert mit den schrecklichen Fotos von sterbenden und verletzten Kindern? Hass auf die Weißen oder die Notwendigkeit der Versöhnung oder ist es die bald vergessene Erinnerung an eine für sie ganz ferne Vergangenheit? Das werde ich leider nie erfahren.

 

Diskussion mit Heidi Holland über das schlechte Image der Deutschen und der Südafrikaner in der Welt aufgrund ihrer Vergangenheit. Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen uns für einen pädagogischen Umgang mit der kriminellen Vergangenheit der älteren Generation. Das Exportmodell Südafrikas ist die Truth and Reconciliation Commission. Hätte sie 1945 bei uns besseres bewirkt als die unselige Entnazfizierung, die nur der Verleugnung der Schuld diente? Aber die Commission hat auch ihre Schattenseiten: Irgendwann kommt die Frage nach der materiellen Kompensation für die erlittenen Schäden. Doch dafür sind die Möglichkeiten mehr als begrenzt. Enttäuschung und Verbitterung ist die natürliche Folge. Was wird daraus?

 

Die schwarze Gewalt heute nährt sich nicht zuletzt aus der Differenz zwischen der ausweglosen Situation der jungen Leute (40% Arbeitslose im Land, mehrheitlich natürlich Schwarze) und den Bildern vom Leben der weißen Oberschicht, die sie aus den amerikanischen daily soaps entnehmen. Rache ist ein Motiv neben der materiellen Bereicherung durch Raub. Vergewaltigungen finden ihre Phantasiebilder in dieser Diskrepanz, erfahre ich aus Heidi Hollands Dokumentation: Born in Soweto.

 

Der Stolz des schwarzen Taxifahrers auf seine Heimat Soweto zeigt sich in dem Versuch, mir nahe zu bringen, wie gefahrlos es jetzt dort ist. Er zeigt die "guten " Strassen, die Häuser von Winnie und Nelson Mandela. Zwei Nobelpreisträger in einer Strasse, wo gibt es das sonst noch auf der Welt?. Der andere ist Desmond Tutu. Aber es ist nicht zu übersehen, besonders vom Oppenheimer Turm, wo die Squattersiedlungen liegen und die Wohnheime der Männer, die früher in den Minen arbeiteten und heute sonst wo. "Sie müssen den Menschen in ihrer Heimat erzählen, dass das, was über Soweto in der Presse geschrieben wird, meistens Lügen sind." Stimmt schon, an diesem strahlenden Sonnentag mit den freundlichen Menschen rund um die touristischen Highlights von Soweto, lässt sich die andere Realität Sowetos, die immer noch extreme Kriminalitätsrate und die Überbevölkerung (10-12 Personen auf engstem Raum in den kleinen Häusern) leicht ausblenden.

 

Winnie Mandelas Haus gleicht einer abgeschirmten Festung, auch die Architektur unterscheidet sich deutlich vom Rest Sowetos, das in großen Teilen auf den fremden deutschen Betrachter wie eine einzige Ansammlung von Behelfsheimen aus der Nachkriegszeit wirkt. 10 Millionen Menschen wohnen hier, vermutet der Taxifahrer. In dem Airline Magazin, das sich mit Soweto unter dem Titel „Soul Zone" beschäftigt, findet man die Angabe: 3,5 Millionen. Immerhin, das, was Soweto genannt wird, und aus vielen Bezirken besteht, hat einen Radius von ca. 20 Kilometern.

Das Haus, in dem sich Nelson Mandela von seinem 28.- 44. Lebensjahr aufhielt, bevor er verhaftet wurde und 27 Jahre auf Robben Island zubrachte, ist ein bescheidenes Haus im typischen Sowetostil, eng, aber wohnlich eingerichtet. Die obligatorische Führung (Spenden erbeten) arbeitet an der Heiligenlegende. Er hatte zwei Frauen, aber natürlich nacheinander, wird betont. Jetzt, mit über 80 ist er zum dritten Mal verheiratet. Gezeigt werden die vielen Ehrendoktordiplome, aber auch das kurze Bette des einmeterund neunzig großen Mannes. Devotionalien sind preiswert zu haben. Trotzdem lässt sich der Eindruck von der geduldigen, aber unerbittlichen Hartnäckigkeit, mit der dieser Mann seine Ziele verfolgte, nicht verdunkeln. Er ähnelt für den Betrachter immer stärker Gandhi, von dem er viel gelernt hat.

 

Eine seltsame Insel in Soweto bildet der gepflegte Park rund um den Oppenheimerturm mit den plastischen Bauten und Skulpturen von Credo Mutwa, einem Künstler und Songoma (Hellseher und Wunderheiler). Sein teilweise zerstörtes Werk ist eine ins Gelände verstreute Installation unterschiedlicher afrikanischer Dörfer mit den dazugehörigen Götterfiguren. Als Kollaborateur der Weißen verschrien, musste er Soweto verlassen, sein Haus wurde verbrannt, und auch die großen Figuren wurden beschädigt. Jetzt scheint dort ein Kulturzentrum zu entstehen.

 

Der weiße Taxifahrer, mit Afrikaans-Akzent, spricht von der Not der ärmeren Weißen, die die Konkurrenz mit den Schwarzen nicht mehr bestehen in Folge von black empowerment. Er habe nichts gegen den ANC, aber er beklage drei Dinge: Jobmangel, Kriminalität und die unsinnige antiwestliche Außenpolitik des ANC, die offene Unterstützung von Castro, Mugabe, jetzt auch Aristide. Er erläutert angesichts des Verkehrsstaus, in den wir geraten sind, die strategische Anlage der Straßen, die von und nach Soweto führen. Sie wurden auf wenige Zugänge begrenzt, um den Zustrom zur Stadt in Spannungszeiten kontrollieren zu können. In Soweto selbst sind die verfeindeten ANC und Inkatha-Anhänger (die Zulu) durch die Bahnlinie und Grünfelder getrennt. Rund um Soweto finden sich die Abraumhalden der Goldminen, die jetzt von japanischen Gesellschaften noch einmal auf Gold durchgesiebt werden, offenbar ein lohnendes Geschäft. Mit dem restlichen Schlamm werden die alten Stollen verfüllt, ökologisch korrekt.

In den Jazz-Kneipen von Melville sind die Schwarzen in der Minderheit, nur als Straßenhändler scheinen sie tagsüber hier vorzukommen und als Bedienung. Im Museum Africa im Zentrum von Johannesburg sieht man noch Bilder von den alten Shebeens, den schwarzen Musikkneipen aus den dreißiger Jahre mit ihrem Zentrum Sophiatown (Soweto), es muss eine wilde Zeit gewesen sein..

 

"All people, ultimately, are African". Das Museum Africa beweist es mit den frühen Schädelfunden und den wunderbar eindringlichen Steinzeichnungen und Felsengravierungen der Buschmänner, der San, die bis zu 20.000 Jahre alt sind.

Die leidenschaftliche Intensität mit der viele schwarze Gesprächspartner auf eine bessere Zukunft setzen, ist beeindruckend angesichts der aktuell sichtbaren Misere und den geringen materiellen Verbesserungen für so viele seit den ersten demokratischen Wahlen vor zehn Jahren.

 

geschrieben in: The Hard Minded Café, Melville, Johannesburg, März 2004

 

 

 

 

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© Eberhard Schmidt